Der Anlass
Als ich 1984 mit der Weinherstellung unter eigenem Namen und aus eigenem Anbau begann, hatte ich eine Fläche 0,4 Hektar zu bewirtschaften – einige Parzellen des elterlichen Weinguts, das etwa 1,4 Hektar groß war. Für mich als Anfängerin war das zunächst eine gute, überschaubare Größe, aber schon nach ein paar Jahren stellte ich fest: Auf Dauer ist mir das entschieden zu wenig. Zu Beginn der 90er Jahre entschloss ich mich daher, das neue, kleine SYBILLE KUNTZ Weingut langsam Schritt für Schritt zu vergrößern. Das erforderliche Know-how hatte ich inzwischen, was mir fehlte war das nötige Kapital. Ich tat also das, was man in einer solchen Lage üblicherweise tut: Ich ging mit einem detailliert ausgearbeiteten Konzept zu meiner Hausbank.
»Liebe Frau Kuntz«, bekam ich da zu hören, »wie Sie vielleicht wissen gehört uns schon heute fast die halbe Mosel. Die Zeiten sind hart, das wissen Sie so gut wie wir, und selbst alteingesessene, große Weingüter mit jahrhundertelanger Tradition sind den neuen Anforderungen nicht gewachsen, sie können einfach nicht mehr mithalten und geben auf. Und nun kommen Sie und rechnen sich als Neuling Chancen aus? In diesem Geschäft? – Ein derart riskantes Unternehmen können wir nicht finanzieren. Am besten lassen Sie die Finger davon. Es tut uns leid. Wir hoffen, Sie verstehen das.«
Verstanden habe ich das bis heute nicht, aber die klare Abfuhr von meiner Bank hat mich damals außerordentlich ernüchtert, gar keine Frage; von meinem Vorhaben hat sie mich jedoch nicht abbringen können. Bevor ich Winzerin wurde, hatte ich ja immerhin ein Studium der Wirtschaftswissenschaften absolviert, war also durchaus in der Lage, betriebswirtschaftliche Risiken zu berechnen und abzuschätzen. Und mein Risiko war kalkulierbar, daran hatte ich gar keinen Zweifel. Nur so viel war mir jetzt klar: Ich musste bei meinem Vorhaben einen anderen Weg beschreiten. Einen vollkommen anderen. Und bald wusste ich auch welchen.
Die Idee
Warum sollte ich nicht versuchen, diejenigen für meine Pläne zu interessieren, die – teilweise schon seit Jahren – Wein bei mir kauften, die meine Arbeit und meine Produkte kannten und schätzten, die mir vertrauten und wussten, mit wem sie es zu tun haben. Ich fing behutsam damit an, bei meinen Kunden nachzufragen, ob sie sich vielleicht vorstellen könnten, das junge SYBILLE KUNTZ Weingut finanziell zu unterstützen, etwa durch den Erwerb von Anteilsscheinen, verzinst in Naturalien. Wein, da war ich mir sicher, hätte ich immer genug auf Lager, nur Geld war ein knappes Gut, das sollte ja in die Erweiterung und den Betrieb des Unternehmens fließen.
Nach zahllosen Gesprächen mit Kunden und Freunden, mit Juristen, Steuerberatern, Weinkennern und -liebhabern stellte sich heraus: Diese Idee war nicht nur gut, sie war vor allem praktikabel. Aber erst zwei Weinlesen später war sie so weit ausgereift und -formuliert, dass ich mit meinem Modell tatsächlich an die Öffentlichkeit gehen konnte. Die erste Tranche der SYBILLE KUNTZ Genuss-Scheine wurde am 1. Januar 1994 aufgelegt.
Die Premiere
Den ersten Käufer kannte ich schon seit langer Zeit persönlich: Es war Dr. Kurt E. Becker, der mich bei den Vorbereitungen fachkundig beraten und immer wieder ermutigt hatte. Seiner Bitte, den Genuss-Schein mit der Nummer 1 für ihn zu reservieren, kam ich gerne nach. Er besitzt ihn noch heute. Die Nachfrage lief erwartungsgemäß langsam an, nach sechs Monaten waren 5 und am Ende des Jahres 9 Genuss-Scheine verkauft.
Einen beträchtlichen Schub bekam meine Idee Anfang 1995: Um die Weihnachtszeit 1994 war in der Zeitschrift IMPULSE (Nr. 1/95) ein Artikel von Torsten Schubert erschienen, der das Weingut im August zuvor besucht hatte. In seinem Bericht ging Schubert auch ausführlich auf diese neuartige, ungewöhnliche Anlagemöglichkeit mit Naturalverzinsung an der Mosel ein. Die Leser waren davon sichtbar und hörbar begeistert, und vielen schien offenbar die Aussicht verlockend, sich am Aufbau eines Weinguts beteiligen zu können und seine Geschicke in einem sehr viel engeren Kontakt als sonst üblich zu begleiten.
Nun sollte sich zeigen, was wirklich in meinem Konzept steckte. Ich hatte es geahnt und natürlich gehofft, aber spätestens mit dem Beginn des neuen Jahres wurde klar, dass ich auf eine wirklich zündende Idee gekommen war: Telefon und Fax standen nicht mehr still. Die persönlichen Ermutigungen und die Bereitschaft zur Investition in exzellente Riesling-Lagen waren überwältigend. Manche Interessenten haben ihre Unterstützung allein deswegen zugesagt, weil sie selbst mit den Schwierigkeiten beim Aufbau eines Unternehmens bestens vertraut waren und weil sie dabei auch mit Banken ähnliche Erfahrungen gemacht hatten wie ich.
Erste Ergebnisse
Endlich war ich jetzt in der Lage, weitere Anbauflächen hinzuzukaufen – darunter einige Parzellen in ganz vorzüglichen Lagen mit uralten wurzelechten Rebstöcken – und die daraus erwachsenden Folgekosten für Mitarbeiter, Fässer, Maschinen etc. aufzubringen. Von den ursprünglich eineinhalb Hektar meiner Anfangsjahre habe ich die Anbaufläche inzwischen auf 18 Hektar vergrößert. Um diese Fläche effizient zu bewirtschaften waren in den vergangenen Jahren unter anderem Investitionen in den Maschinenpark erforderlich, der den besonderen Anforderungen unserer steilen Hänge gewachsen sein muss; hier sind wir heute auf dem allerneuesten Stand. Planungen für die Modernisierung des Weinkellers und der Kelteranlagen sind bereits weit fortgeschritten.
Aber die Anbaufläche allein – auch mit den vorzüglichsten Rebstöcken und in den ersten Lagen – und die besten technischen Hilfsmittel garantieren noch keinen guten Wein. Was in unseren Weinbergen gelesen wird, muss mit profundem Wissen, mit Erfahrung und allergrößter Sorgfalt verarbeitet werden, damit eines Tages zum Beispiel so enthusiastisch darüber geschrieben werden kann:
»BEERENAUSLESE (2011): Gosh, I'm not sure I have ever tasted a Beerenauslese that is this potent...? Bright copper colour. Exciting paprika nose. Very rich indeed. This, by the way, comes in a full 75cl bottle! Lovely balance of pronounced sweetness plus racy acidity and a touch of quinine kick. Not ready yet but a really exciting balance. Long. So vibrant! 13.5%«
- Jancis Robinson -
Die Entwicklung der Genuss-Scheine
Zum 1. März 2014 haben wir die SYBILLE KUNTZ Genuss-Scheine auf die aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen eingestellt. Bei einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren haben Investoren die Wahl zwischen drei Beträgen und drei Zinssätzen: 2500 € zu 6%, 5000 € zu 6,5% und 10.000 € zu 7%. Bei einer Zeichnungssumme von 5000 Euro erwirbt der Inhaber im Jahr einen Anspruch auf eine flüssige Rendite im Wert von 325 Euro – bei freier Auswahl aus dem kompletten Angebot. Und das Besondere daran ist, dass man sie wunderbar gemeinsam mit der Familie oder mit Freunden genießen kann.
Den SYBILLE KUNTZ Genuss-Scheinen ist es inzwischen ergangen wie vielen anderen guten Ideen: Sie haben Schule gemacht. In den vergangenen Jahren haben uns Hunderte von Anfragen aus den unterschiedlichsten Branchen dazu erreicht, und inzwischen hat sich unser Konzept bei Brauereien, in der Hotellerie, bei Blumenverkäufern, bei Restaurants, bei Pralinenherstellern, ja sogar bei Matratzenfabrikanten und selbstverständlich bei einer Reihe anderer Weingüter bewährt. Auch diese Entwicklung verbuche ich als Bestätigung für meine Idee, und ich freue mich über jeden weiteren Nachahmer.
Mein Finanzierungskonzept bewährt sich nach wie vor und ist weiterhin die Garantie für die ökonomische Stabilität des SYBILLE KUNTZ Weinguts. Manche Investoren rufen ihre Einlage nach der Ablauffrist vereinbarungsgemäß wieder ab – wahlweise in bar oder in Naturalien –, neue kommen dazu; diese Fluktuation ist Bestandteil des Konzepts und bewegt sich von Beginn an in einem überschaubaren Rahmen. 1998 ist auf die Sybille-Kuntz-Genuss-Scheine ein Patent erteilt worden.
Dankeschön
Aus diesem Anlass möchte ich hier und jetzt die Gelegenheit nutzen, allen – ehemaligen und aktuellen – Genuss-Schein-Inhabern, aber auch allen anderen Kunden und Freunden des Weinguts und nicht zuletzt meinen Mitarbeitern von Herzen für ihren Einsatz und für ihr Vertrauen zu danken. Ich bürge dafür, dass sich daran nichts ändert.